Macht der Staat Rückschritte im Insolvenzrecht?

Eine kluge Finanzierung der Staatsfinanzen sieht anders aus: so liegen nach einem Bericht der “Welt” Pläne aus den CDU geführten Sozial- und Finanzministerien vor, nach denen der Staat nun wieder Gläubiger Nummer 1 bei Insolvenzverfahren werden solle, um sich an der Konkursmasse von insolventen Unternehmen als Erster bedienen zu können. Dieses Vorrecht wurde erst 1999 im Rahmen der neuen Insolvenzordnung (InsO)abgeschafft, um eine Gleichstellung aller Gläubiger nach angelsächsischem Vorbild herzustellen. Denn das deutsche Insolvenzrecht hatte bis dato zwei weitreichende Auswirkungen: erstens führte die damalige Rechtslage in den meisten Fällen zu einer  Zerschlagung der insolventen Unternehmen, eine Sanierung, wenn auch nur teilweise, war praktisch unmöglich. Zweitens müssen Unternehmer erst komplett mit ihrem Privatvermögen haften, was zwar einerseits dem Gläubigerschutz dient, allerdings den unternehmerischen Geist im Keim erstickt und unternehmerisches Handeln erschwert. In einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist der Selbsterhalt von insolventen Unternehmen kein Selbstzweck, allerdings liegt die Sanierung dieser Unternehmen auch im Interesse der Gläubiger, um die Chancen des Erhalts der Forderungen zu erhöhen.

Allerdings liegt auch ein „Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ von Seiten des Bundesjustizministeriums vor, welches vorsieht, das deutsche Recht weiter dem amerikanischen Vorbild des so genannten „Chapter 11“ anzupassen. Dieses überaus bewehrte Gesetz des US bankruptcy code sieht – im Gegensatz zum Liquidationsgesetz „Chapter 7“ – eine Reorganisation des Unternehmens vor, bei der die Gläubiger sofort ihre Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einstellen müssen, damit das Unternehmen sein Tagesgeschäft weiter ausführen kann. Im Gegenzug werden die Gläubiger von Anfang an stärker in die Restukturierungsmaßnahmen des Unternehmens eingebunden: so besteht die Möglichkeit eines „equity-debt-swifts“, bei dem die Gläubiger ihre Forderungen in Eigentumsanteile umwandeln können, was einerseits den Unternehmen Luft schafft, da etwaige anstehende Forderungszahlungen entfallen. Andererseits erlaubt das Miteigentum der Gläubiger an der Firma einen stärkeren Eingriff in die Restukturierungsmaßnahmen und eine entsprechende Wahrung der Gläubigerinteressen.

Nun hat die Bundesregierung den großen Vorteil, einerseits auf ihren eigenen Erfahrungen   mit dem bis 1999 gültigen Insolvenzrecht und der seitdem geänderten Rechtslage zurückgreifen und andererseits von den Erfahrungen im Ausland gültiger Rechte zu profitieren. Deswegen wäre es verwunderlich, wenn die Regierung nun von einer Reform weg vom Liquidationsrecht hin zu einem Sanierungsrecht abweicht, um kurzfristig Konsolidierungsmasse für den Staatshaushalt aufzutreiben, dabei aber den langfristigen Interessen einer stabilen, marktwirtschaftlichen Ordnung entgegenwirkt, auf die sich der deutsche Wohlstand aufbaut und stützt.